Vaishnava

Der Vishnuismus ist die grösste Strömung im Hinduismus. Seine Praktiken und Traditionen sind vielfältig und unterscheiden sich von anderen Richtungen im Hinduismus. Das zentrale Element ist Bhakti, die liebende Hingabe an Gott – und damit Prapatti, das heisst, die Abhängigkeit von Narayana, der uns letztendlich durch seine Gnade erlösen wird.

 

Die Theologie des Vishnuismus besagt, dass Vishnu (identisch mit Narayana) oder eine seiner Inkarnationen, das absolute Wesen darstellen. Das Ziel des Vischnuismus ist es, eine persönliche Liebesbeziehung zu Gott aufzubauen und zu fördern, der uns im Gegenzug mit seiner Gnade beschenkt. Bhakti – die liebende Hingabe an Gott, wie sie auch im Christentum gelebt und praktiziert wird – ist die grundlegende Praxis aller Richtungen im Vischnuismus. 

Vedanta

Der Vedanta bildet das theologische Fundament hinter dem Weg der Hingabe und beschreibt die Beziehung zwischen Gott (Brahman), uns Menschen (Atma) und der materiellen Natur (Prakriti). Die Grundlagenwerke der Sri Vaishnavas sind die Veden die Bhagavad Gita und das Shreemad Bhagavatam, das als Sammlung der Geschichten der Bhaktas (derjenigen, die Gott lieben) gilt.

                                                            

Die Anfänge des Vedanta gehen auf Adi Shankaracharya (788 – 820 n. Chr.) zurück, für den Brahman ein unpersönliches Wesen war und deshalb die Liebe zu ihm auch eine Illusion darstellte. Knapp 200 Jahre später entstand der von Sri Ramanuja Acharya (Acharya = Lehrer) (1017 n. Chr.) gegründete Orden der Sri Vaishnavas. Seine religiöse Interpretation der heiligen Schriften betont dabei die Beziehung zwischen Ishvara (Gott), seinen Wesen (Jivas) und der Schöpfung (Prakriti). 

 

Die wichtigsten Vaishnava-Schriften sind:

-          Die Veden

-          Die Upanishaden

-          Das Mahabharata

-          Die Bhagavad Gita

-          Das Ramayana

-          Die 6 Vaishnava Maha Puranas (inkl. Shreemad Bhagavatam)

-          Die Pancharatra Agama

 

Warum wird Bhakti von den Vaishnavas praktiziert? Weil der Ruf Krishnas in der Bhagavad Gita dies als höchste Form der Gottsuche benennt: 

"Richte deinen Geist auf mich, sei mir hingegeben, verehre mich, verbeuge dich vor mir und du wirst zu mir alleine kommen. Das verspreche ich dir, weil du mir lieb bist!" BG 18.65

 

Diesem Ruf kommen alle hinduistischen Strömungen der Vishnuiten nach. Denn dass die liebende Hingabe an Gott (Bhakti) die höchste Form der Gottesverehrung ist, erklärt Bhagavan Krishna in BG 6.47 mit dem Vers:

"Von allen Yogis (Gottsuchern) halte ich denjenigen für den höchsten und am meisten mit mir vereinten, der sich mir mit seinem ganzen innersten Selbst in Liebe und Hingabe ergeben hat."

 

Der Pfad der Liebe und Hingabe an Gott ist weiter im Shreemad Bhagavatam, dem Herzstück der Puranas, ausgeführt und präzisiert, wo Prahlad Maharaj die 9 Formen von Bhakti (Navadha Bhakti) benennt:

"Den heiligen Namen zu hören und zu singen, Seinen Ruhm zu preisen, sich an Gott Vishnu zu erinnern, den Lotosfüssen des Herrn zu dienen, Vishnus Gestalt zu verehren, ihm Gebete und Rituale darzubringen, Vishnus Diener zu werden, ihn als seinen besten Freund anzusehen und alles ihm hinzugeben - diese neun Vorgänge sollten als die höchsten Formen von Gottesdienst erkannt werden, weil derjenige, der sie ausführt weise und umfassend in seinem Wissen genannt wird." Shreemad Bhagavatam 7.5.23-24

 

So wie Christen versuchen, sich an die 10 Gebote zu halten, so versuchen wir Hindus uns an den Hinweisen von Bhagavan Krishna zu orientieren, die er in der Bhagavad Gita 16.1-3 gegeben hat:

"Dies sind die heiligen Tugenden derer, die mit einer göttlichen Natur ausgestattet sind - Furchtlosigkeit, Reinheit des Geistes, Standhaftigkeit in der spirituellen Erkenntnis, Nächstenliebe, Kontrolle der Sinne, Durchführung von Opfern, Studium der heiligen Schriften, Sparsamkeit und Geradlinigkeit. Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Freisein von Wut, Entsagung, Friedlichkeit, Zurückhaltung bei der Fehlersuche, Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen, fehlende Habsucht, Genialität, Bescheidenheit und fehlende Wankelmütigkeit; Kraft, Heiterkeit, Standhaftigkeit, Sauberkeit, keine Feindseligkeit und keine Eitelkeit." 

Acharyas und Priester

Sri Ramanuja Acharya lebte von 1017–1137 n. Chr. Er war von der Bhakti (Hingabe) der Alvar Heiligen (Dichter der Liebeshymnen an Gott) tief berührt und war mit der unpersönlichen Form Gottes, wie sie in der damaligen Zeit gelehrt wurde, nicht einverstanden.

 

Nachdem er seine Standpunkte dargelegt und diskutiert hatte, gründete er die Sri Sampradaya, welche auf der Basis einer persönlichen Beziehung zu Gott, in Form von Shriman Narayana, gründet. So entstand die älteste der vier Vaishnava-Linien in Südindien. 

Ramanuja Acharya (sitzend) mit Shriman

Narayana und den 12 Alvars. (Gemälde

im Sri Bhutabhrteshwarnath Mandir) 


Die Gnade von "OM NAMO NARAYANAYA"

"OM NAMO NARAYANAYA" ist das Hauptmantra der Sri Vaishnavas. Dieses einst geheime Mantra (Gebet) wurde der Welt durch die Gnade Ramanuja Acharyas gegeben.

 

Paramahamsa Vishwananda, ein aktuell lebender Vaishnava Acharya (Gelehrter und Lehrer, sowie Würdenträger im Hinduismus) hat den Hinduismus im Westen verbreitet, inspiriert und vorgelebt und - und kann uns zur Inspiration dienen. Die Gnade von "Om Namo Narayana" or "Sri Vitthala Giridhari Parabrahmane Namaha" macht Gott-Verwirklichung möglich, wenn die Gebete (Mantren) mit liebender Hingabe und Bhakti gesungen werden. 


Die Geschichte des heiligen Mantras

Ramanuja machte 17 grosse Pilgerreisen, um in den Besitz des heiligen Gebets und Mantras "Om Namo Narayanaya" zu gelangen. Jedes Mal wies ihn der Heilige (Guru) aber zurück und sagte ihm, dass er des Gebetes nicht würdig sei.

 

Letztendlich aber, nach seiner 18. Pilgerreise, stimmte dieser endlich zu und gab ihm den heiligen Namen – unter der Bedingung, dass er ihn mit niemandem sonst teile und nie laut singen oder aussprechen dürfe. Er stimmte zu. Nun aber, jetzt, da er im Besitz des heiligen Verses war und realisierte, dass die Kraft des göttlichen Namens die Seelen vom Zyklus von Leben und Tod befreien konnte, stieg er aufs Dach des Tempels und rief alle Leute zusammen. Als sich alle eingefunden hatten, rief er das heilige Gebet (Mantra) mit voller Kraft dreimal laut von der Zinne und teilte es dadurch mit allen.

 

Sein Lehrer (Guru) war wütend und wollte ihn in die Hölle verdammen. Aber als Ramanuja antwortete, dass seine Verdammnis in der Hölle ein kleiner Preis sei, den er bezahlen müsse, wenn dadurch alle Befreiung erlangen würden, realisierte der Lehrer seinen Fehler und bat um Vergebung.